Digitalisierung | 25.03.2025 Marktrollenübergreifend die Komplexität für innovative, lokale Stromnutzungsmodelle meistern Autoren: Anna Kohlmann | Simon Kutzner

 

Die Energiewende bringt neue Herausforderungen und Chancen für die dezentrale Energieversorgung. Innovative Modelle wie Mieterstrom, gemeinschaftliche Gebäudeversorgung und Energy Sharing bieten viel Potenzial, erfordern jedoch maßgeschneiderte Messkonzepte zur präzisen Abrechnung und Optimierung des Eigenverbrauchs. Komplexe Messsysteme, die viertelstündliche Messwerte und einfache Rechenoperationen nutzen, schaffen die Grundlage für eine transparente und effiziente Energieverteilung.

Ein Gelingen der Energiewende setzt voraus, dass auch die lokale Nutzung von dezentral erzeugtem PV- Strom in Gewerbe und Mehrfamilienhäuser ermöglicht und die Umsetzung attraktiv gestaltet wird.  Umsetzungsmodelle wie Mieterstrom- oder Gemeinschaftsmodelle bringen neue Anforderungen mit sich. Die steigende Zahl an Photovoltaikanlagen, die verstärkte Nutzung von Wärmepumpen und Elektromobilität sowie die zunehmende Bedeutung des gemeinschaftlichen Stromverbrauchs erfordern eine präzise Abrechnung und eine effiziente Integration in das Energiesystem.

Hier spielen komplexe Messkonzepte eine zentrale Rolle. Insbesondere für innovative Produkte wie Mieterstrom (§ 42a EnWG), Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (§ 42b EnWG) und Energy Sharing (§ 42c EnWG-E) sind sie die Voraussetzung für die Mengenabrechnung. Im Gegensatz zu einfachen Standardmesskonzepten, etwa der Überschusseinspeisung, erfordern diese Modelle eine enge Abstimmung zwischen zahlreichen Akteuren, eine durchdachte Prozessgestaltung und eine effiziente Datenverarbeitung von Messwerten.

Welche Betriebskonzepte gibt es?
Unterschiedliche Betriebskonzepte erfordern spezifische Mess- und Berechnungskonzepte


Mieterstrom nach § 42a EnWG
Beim Mieterstrommodell wird Strom aus einer lokalen PV-Anlage (alternativ auch aus Blockheizkraftwerken - BHKW) sowie der jeweilige Reststrombedarf an den Mieter geliefert. Damit dies reibungslos funktioniert, muss das Mess- und Berechnungskonzept:
 

  • den Eigenverbrauch und die Einspeisung ins Netz präzise erfassen
  • die Abrechnung zwischen Vermieter (PV-Betreiber) und Mietern ermöglichen
  • den Reststrombezug aus dem Netz den Mietern korrekt zuordnen


Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung (GGV) nach § 42b EnWG
Dieses Modell ermöglicht die gemeinschaftliche Nutzung des Stroms innerhalb eines Gebäudes. Die Lieferung des Reststrombedarfs an den Mieter ist nicht Teil des Modells. Das Mess- und Berechnungskonzept muss:

  • die Stromaufteilung auf verschiedene, teilnehmende Wohn- bzw. Gewerbeeinheiten abbilden
  • eine reibungslose Marktkommunikation zum Reststrombezug ermöglichen


Energy Sharing nach § 42c EnWG-E
Beim Energy Sharing werden die Erzeugungsanlagen aus PV- oder BHKW auf verschiedene Haushalte oder sogar verschiedene Gebäude verteilt. Das Mess- und Berechnungskonzept muss:

  • die Stromflüsse zwischen den Beteiligten über intelligente Messtechnik (z. B. digitale Plattformen) abbilden
  • die viertelstündlichen Verbrauchswerte der Teilnehmer korrekt zuordnen
  • sicherstellen, dass eine Netzentlastung durch die optimierte Nutzung lokal erzeugter Energie erreicht wird.

Was sind die Grundlagen für die Umsetzung? 
Viertelstündliche Messwerte und Rechenoperationen als Voraussetzung für eine präzise Abrechnung

Messkonzepte für derartige Projekte basieren auf einer hochaufgelösten viertelstündlichen Messdatenerfassung, die entsprechende Messtechnik voraussetzt (RLM oder iMS) und ermöglichen es, Stromflüsse detailliert zu analysieren und abrechnungssicher zu erfassen. Einfache Rechenoperationen, teilweise basierend auf virtuellen Messlokationen, sorgen für eine klare Aufteilung der Energiemengen (über dynamische oder statische Aufteilungsschlüssel).

Zu den wesentlichen Aufgaben der Beteiligten gehören:

  • Differenzierung der Strommengen über separate Zählpunkte: Trennung von Eigenverbrauch, gemeinschaftlichem Verbrauch von PV-Strom, Reststrom und Netzeinspeisung
  • Berechnung von Entnahmemengen: Welche Strommenge wurde direkt aus der PV-Anlage genutzt, welche musste aus dem Netz bezogen?
  • Managen des Strombezugs und Integration steuerbarer Verbrauchseinrichtungen, z. B. über Energiemangementsysteme: Die Priorisierung von E-Autos, Wärmepumpen oder Lüftungsanlagen mit lokal erzeugtem Strom für eine Eigenoptimierung auf Kundenseite
     

Eine automatisierte Verrechnung der Messwerte ist entscheidend, um eine korrekte, transparente und wirtschaftliche Abrechnung für alle Beteiligten sicherzustellen.

Welche Herausforderungen ergeben sich daraus? 
Insbesondere die Koordination und Mitnahme vieler Akteure

Während einfache Messkonzepte nach Branchenstandard routiniert umgesetzt werden, müssen sich bei komplexen Betriebsmodellen zahlreiche Akteure abstimmen, darunter Anlagenbetreiber (z. B. Vermieter, Energiedienstleister), Anschlussnetzbetreiber (ANB), Messstellenbetreiber (grundzuständig oder wettbewerblich), Energiedienstleister, Direktvermarkter und Elektroinstallateure für die Einrichtung der Zählerplätze.

Eine koordinierte Abwicklung erfordert viele Arbeitsschritte:

  • Die Akteure Anlagenbetreiber, Messstellenbetreiber und Netzbetreiber stimmen das Messkonzept ab.
  • Der Netzbetreiber schafft die Grundlage über entsprechende Abrechnungsobjekte, der Messstellenbetreiber die messtechnischen Voraussetzungen.
  • Der Messstellenbetreiber stellt viertelstündliche Messwerte bereit.
  • Der Netzbetreiber als Energiedienstleister (auch in der Funktion des Messstellenbetreibers) verarbeitet diese, berechnet die Verbrauchsanteile je Mietpartei und kommuniziert diese an die berechtigen Marktteilnehmer.
  • Der Anlagenbetreiber erhält eine klare Abrechnung über den selbst verbrauchten vs. ins Netz eingespeisten Strom.
  • Der teilnehmende Mieter erhält eine Abrechnung über die ihm zugeteilten PV-Stromanteile.
     

Einführung digitaler effizienter Prozesse

Da jeder Akteur eine spezifische Rolle in der Abwicklung übernimmt, müssen die Prozesse effizient und digital gestaltet werden. 
Ein gut abgestimmter Datenfluss ist essenziell, um wirtschaftliche und funktionale Lösungen zu gewährleisten. Ohne eine effiziente Datenverarbeitung und eine abgestimmte Kommunikation zwischen den Marktrollen kann die Wirtschaftlichkeit dieser Modelle nicht gewährleistet werden. In der Regel bedeutet dies für die Umsetzung eine Ausgestaltung der End-to-End-Prozesse und damit einhergehen eine Ertüchtigung der IT-Systeme.

Erfüllen technischer Anforderungen an Zählerplätze und Netzkonformität

Neben der Optimierung des Eigenverbrauchs müssen auch die Technischen Anschlussbedingungen (TAB) für Zählerplätze eingehalten werden. Dazu gehören:

  • Einhaltung der Platzierungsanforderungen für Messwandler
  • Netzkonforme Installation der Messanlagen
  • Integration digitaler Kommunikationsschnittstellen für das Smart Meter Gateway
  • Nur wenn diese Anforderungen erfüllt sind, kann das Messkonzept reibungslos funktionieren und eine langfristige Rechtssicherheit bieten.

 

Fazit: Messkonzepte als Schlüssel für innovative Mieterstrom- und Sharing-Modelle

Die Zukunft der dezentralen Energieversorgung erfordert durchdachte und effiziente Mess- und Berechnungskonzepte. Um sich als Akteur in diesem Feld zu platzieren, ist es erforderlich, das passende Betriebskonzept auszuwählen, die Voraussetzungen in Systemen und bei den Prozessen zu schaffen und vorab notwendige Messkonzepte und technische Anforderungen abzustimmen.

In unserem Webinar im Mai 2025 erfahren Sie, wie diese Konzepte in der Praxis umgesetzt werden, welche Akteure beteiligt sind und wie die Daten effizient verarbeitet werden. Sie erhalten wertvolle Einblicke in die Messkonzepte, die die Zukunft der dezentralen Energieversorgung gestalten. Die Einladung wird in Kürze versendet.

Für Fragen oder einen Austausch stehen wir Ihnen zur Verfügung.

Anna Kohlmann
Leiterin Kompetenzteam Digitale Lösungen
E-Mail 
 

Simon Kutzner
Senior Manager
E-Mail

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