Nachhaltige Erzeugungssysteme, | 25.03.2025 Organisationsentwicklung | 25.03.2025 Strategische Investitionsplanung: Wenn zwei Dimensionen nicht genug sind Autoren: Corinna Semling | Jörg Ottersbach | Dr. Hendrik Kondziella

 

Investitionsentscheidungen in Wärmenetze sind komplex – Technik und Wirtschaftlichkeit stehen oft im Fokus. Die Kombination beider Kriterien lässt sich für das Management gut aufbereiten – anschaulich, „exakt berechnet“ und grafisch überzeugend. Doch wie lassen sich weitere Einflussfaktoren – etwa Stakeholder-Interessen – in den Entscheidungsprozess integrieren? Drei Kompetenzteams von BET haben sich dieser Frage gestellt, eine innovative Lösung entwickelt und sie gemeinsam mit einer Kundin erfolgreich getestet.

Investitionsentscheidungen in der Energiewirtschaft sind komplex. Wärmenetzbetreiber müssen wirtschaftliche Tragfähigkeit mit technologischer Machbarkeit in Einklang bringen. Doch ein entscheidender Faktor wird häufig unterschätzt: die Perspektive der Stakeholder. Ein frühzeitiges Verständnis ihrer Interessen kann entscheidend für den Projekterfolg sein.

Eine Nutzwertanalyse bietet die Möglichkeit, technische und wirtschaftliche Faktoren mit der Stakeholder-Perspektive zu verknüpfen. Durch diesen strukturierten Ansatz lassen sich Investitionsentscheidungen auf eine breitere Basis stellen und Projektrisiken frühzeitig minimieren. Die wesentlichen Prozessschritte und die Erkenntnisse des Lösungsvorschlags werden im Folgenden umrissen.

Nutzwertanalyse als Entscheidungsinstrument


Die Nutzwertanalyse ist ein etabliertes Verfahren zur Bewertung komplexer Entscheidungsprobleme mit mehreren Zielgrößen. Sie ermöglicht die strukturierte Berücksichtigung qualitativer und quantitativer Faktoren, indem verschiedene Kriterien definiert, gewichtet, bewertet und aggregiert werden. Die relevanten Entscheidungsdimensionen – in diesem Fall Technik, Stakeholder-Perspektive und Wirtschaftlichkeit – werden als Kriterien festgelegt. Für jede Investitionsoption wird anhand eines standardisierten Maßstabs ein Nutzwert ermittelt. Während quantitative Größen (Wirtschaftlichkeit) direkt messbar sind, werden qualitative Faktoren (Technik, Stakeholder) durch ein Scoring-Modell in vergleichbare Werte überführt. Durch diese methodische Vorgehensweise entsteht eine nachvollziehbare Entscheidungsgrundlage, die alle drei Perspektiven systematisch integriert.

Technische Machbarkeit als Grundlage


Die technische Analyse bildet das Fundament für jede strategische Entscheidung. In einem ersten Schritt werden geeignete Technologien identifiziert und anhand relevanter Kriterien bewertet. Aspekte wie CO₂-Reduktion, langfristige Kostenstabilität sowie die Verfügbarkeit von Ressourcen spielen hierbei eine zentrale Rolle. Zunächst wird der Nutzwert jeder einzelnen Technologie ermittelt, um ihre Eignung für den jeweiligen Anwendungsfall zu bewerten. Anschließend erfolgt eine Bewertung auf Portfolio-Ebene, bei der einzelne Technologien in ihrer Kombination betrachtet und gewichtet werden. Dieser systematische Ansatz ermöglicht es, die technologisch sinnvollsten und wirtschaftlich tragfähigsten Optionen für eine nachhaltige Wärmeversorgung auszuwählen.

Stakeholder-Perspektive als Erfolgsfaktor


Infrastrukturprojekte sind nicht allein eine Frage der Technik und Wirtschaftlichkeit – sie müssen auch gesellschaftlich akzeptiert werden. Häufig werden Stakeholder jedoch erst aktiv, wenn die zentralen Entscheidungen bereits getroffen sind. Dadurch entstehen Widerstände, die Projekte verzögern oder im schlimmsten Fall zum Scheitern bringen können.

Um diesem Risiko vorzubeugen, empfiehlt es sich, die relevanten Akteursgruppen frühzeitig zu identifizieren und ihre potenziellen Reaktionen, wie Akzeptanz oder Widerstand, zu analysieren. Je nach gewähltem Versorgungskonzept können verschiedene Gruppen unterschiedlich stark betroffen sein. So könnte bspw. der Bau eines Holzhackschnitzelkessels in der Nähe von bestehender Wohnbebauung aus Sicht der Investoren zwar wirtschaftlich am sinnvollsten ist, jedoch könnte die örtliche Bevölkerung sich auf Grund des höheren Verkehrsaufkommens durch die Brennstofflieferungen gestört fühlen. Eine strukturierte Analyse schafft Transparenz über mögliche Konfliktpotenziale, aber auch über Chancen zur Akzeptanzförderung. Zudem ermöglicht sie, den Kommunikationsaufwand realistisch einzuschätzen und gezielt Maßnahmen zur Stakeholder-Einbindung zu entwickeln. Auf diese Weise lassen sich Widerstände reduzieren und Unterstützung für das Projekt mobilisieren.

Wirtschaftlichkeit als entscheidendes Kriterium


Neben der technischen Machbarkeit und der Stakeholder-Perspektive ist die wirtschaftliche Tragfähigkeit ausschlaggebend für eine fundierte Investitionsentscheidung. Ein integriertes Planungsmodell hilft, die langfristige Wirtschaftlichkeit verschiedener Versorgungsoptionen zu bewerten. Dabei werden die monetären Auswirkungen anhand eines Businessplans simuliert, in dem sowohl die Kostenstruktur als auch die erwarteten Erlösströme berücksichtigt werden. Die zentrale Bewertungsgröße bildet der Kapitalwert, der den Free Cash Flow jeder Option abbildet und so einen transparenten Vergleich ermöglicht.

Erkenntnisse aus der Projektumsetzung


Die transparente Aufbereitung der Bewertungsschritte führte zu einer hohen Akzeptanz der Ergebnisse im Unternehmen. Konkret zeigte die Nutzwertanalyse einen Trade-off zwischen monetären und qualitativen Aspekten auf. So erfordern wirtschaftlich vorteilhafte Versorgungsoptionen oft einen höheren Kommunikationsaufwand mit Stakeholdern. Zudem wurde deutlich, dass der Kreis der relevanten Stakeholder nicht nur von der gewählten Technologie abhängt, sondern auch von der jeweiligen Beteiligungsstrategie. Eine frühzeitige, technologieoffene Stakeholderkommunikation ist daher essenziell, um langfristige Flexibilität bei der Portfolioentscheidung zu gewährleisten.

Fazit: Investitionsentscheidungen strategisch optimieren


Indem Technik, Wirtschaftlichkeit und Stakeholder-Interessen in einem integrierten Ansatz zusammengeführt werden, entsteht eine belastbare Entscheidungsgrundlage für Wärmenetzbetreiber. Die Nutzwertanalyse hilft, nicht-monetäre Faktoren greifbar zu machen und Investitionen strategisch optimal auszurichten.

Eine ganzheitliche Betrachtung dieser drei Dimensionen schafft nicht nur wirtschaftlich tragfähige, sondern auch gesellschaftlich akzeptierte und technologisch zukunftssichere Projekte. Für einen Austausch stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
 

Corinna Semling
Leiterin Kompetenzteam Personal, Kultur & Veränderung
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Jörg Ottersbach
Leiter Kompetenzteam Erneuerbare Energien
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Dr. Hendrik Kondziella
Manager
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