Energiepolitik & Systemanalyse | 25.03.2025 Welche Energiepolitik macht die nächste Bundesregierung? Autoren: Dominic Nailis | Johannes Kempen

 

Auf einen sehr ambitionierten Zeitplan haben sich CDU, CSU und SPD für die Koalitionsverhandlungen verständigt. Angesichts der enormen Herausforderungen im Energiesystem und im Umgang mit dem Klimawandel ist damit aber absehbar, dass entscheidende Kompromisse vertagt werden.

Die Bundestagswahl am 23. Februar hat die politischen Karten in der Bundesrepublik neu gemischt. Auch wenn die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse nur eine Koalition aus CDU/ CSU und SPD ermöglichen, werden die Koalitionsgespräche kein Selbstläufer, haben die vergangene Legislaturperiode und erst Recht der Wahlkampf doch Differenzen inhaltlicher Art, aber auch im Staatsverständnis offengelegt. Dennoch: Für den erfolgreichen Abschluss der Sondierungen benötigten Union und SPD weniger als zwei Wochen und auch für die Verfassungsänderung wurden Mehrheiten gefunden.

Die Koalitionsverhandlungen sind angelaufen. Das Themenfeld Klima und Energie wird hierbei richtigerweise nicht im Bereich Wirtschaft mitverhandelt, sondern bildet eine eigene Arbeitsgruppe. Unionsseitig wird diese von Fraktionsvize Andreas Jung geleitet, dessen SPD-Counterpart Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies ist. Es fällt auf, dass hier niemand aus Nordrhein-Westfalen am Verhandlungstisch sitzt. Die schwarz-grüne Landesregierung hatte sich mit der Ampel darauf verständigt, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen. Dieses Ziel dürfte in den Verhandlungen aber nicht viel Begeisterung wecken. Teil des SPD-Verhandlungsteams ist mit Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidtke ein lauter Kritiker des NRW- Ausstiegsziels und auch die Unionsparteien haben am NRW-Kurs immer wieder Kritik geübt.

Angesichts des ambitionierten Zeitplans und des Anspruchs, einen wesentlich kompakteren Vertrag als die Vorgängerregierungen zu erarbeiten, muss sich auch zeigen, wie detailliert die entsprechenden Themenkapitel ausfallen werden. Union und SPD sind sich in den globalen Zielen – etwa dem Klimaziel 2045, dem Aufbau der Wasserstoffwirtschaft, dem Bedeutungsgewinn für den Emissionshandel und der Absicht, Kunden zu entlasten – einig. Doch ist das nicht ohne Risiko, denn der enge Zeitplan könnte im schlimmsten Fall dazu führen, dass angesichts der Einigkeit über das „Ob“ die entscheidenden Fragestellungen über das „Wie“ erst parallel zum Regierungshandeln verhandelt werden. Damit könnte die Regierung Merz einen wesentlichen Fehler der Ampel-Koalition wiederholen.

Das Sondervermögen wird zwar manche Einigung erleichtern, aber nicht alle Probleme lassen sich mit Geld lösen. Dass der Klima- und Transformationsfonds (KTF) um 100 Milliarden Euro erweitert wird, ist in jedem Fall zu begrüßen, sofern diese Summe nachhaltig eingesetzt wird. Mit der Absicht, durch Senkungen von Stromsteuer und Netzentgelten die Verbraucher zu entlasten, plant die angehende Koalition erste richtige Schritte und verschafft beispielsweise für Investitionen ins Netz auch neue Spielräume. Mit diesem Geld darf aber nicht um jeden Preis gebaut werden, sondern es muss ein systemisches Optimum aus Erneuerbaren-Zubau, gesicherter Leistung, Netzausbaubedarf in allen Segmenten, markt- und netzdienlichem Einsatz von Flexibilität sowie der Transformation des Wärmemarkts erreicht werden. Es wird zu teuer, wenn der Infrastrukturausbau nicht richtig dimensioniert ist. Betriebs- und Redispatchkosten werden außerdem weiterhin anfallen und müssen – solange hierfür kein anderer Mechanismus gefunden wird – auf die Nutzer umgelegt werden. 

Die Unschärfe der Wahlprogramme beispielsweise hinsichtlich des Marktdesigns, der gesicherten Leistung oder der Erneuerbaren-Förderung hat allerdings auch ihre Vorteile: Wo es keine klaren Voten der Parteien gibt oder die Polarisierung erkennbar dem Wahlkampf geschuldet war, besteht in den Verhandlungen wesentlich mehr Spielraum. Mit der Einigung in den Sondierungen, die Kernfusion stärker zu fördern, dürfte eine mögliche Renaissance der Kernenergie vom Tisch sein, ohne dass eine der Parteien hierbei ihr Gesicht verliert. Auch beim Gebäudeenergiegesetz ist zu erwarten, dass es zu einer relativ geräuschlosen Überarbeitung kommt, weil sich die SPD so von einem Polarisierungsthema aus der Ampel lossagen kann. Doch dauerhaft viel bedeutsamer werden die Themen sein, die zuletzt nicht im Schaufenster standen. 
Der Erfolg der Koalition wird maßgeblich davon abhängen, ob Union und SPD hierfür Lösungen finden.

Insgesamt müssen die Koalitionäre also zahlreiche Kompromisse finden und darüber hinaus in den kommenden Jahren das Energiesystem unter Berücksichtigung der bekannten Zielkonflikte zukunftsfit machen. Die Rahmenbedingungen müssen so weiterentwickelt werden, dass die Transformation des Energiesystems hin zur Klimaneutralität erreicht werden kann. Sie müssen verlässlich sein, um den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien sicherzustellen, die Infrastrukturen und den Wärmemarkt weiterzuentwickeln, Interdependenzen zwischen den verschiedenen Medien, verschiedenen Wärmetechnologien, Netz und Erzeugung sowie gesicherte Leistung ausreichend bereitzustellen. Nur so können Bezahlbarkeit und Akzeptanz auf Verbraucherseite sowie ökonomische Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit auf Seite der Marktteilnehmer in Einklang gebracht werden.

Bereits Anfang April sollen die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sein; die Vertragsunterzeichnung ist für Mitte des Monats vorgesehen und schon am 23. April könnte Friedrich Merz zum Bundeskanzler gewählt werden. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass vor allem die gesellschaftliche Akzeptanz zur Transformation äußerst volatil ist. Eine neue Bundesregierung muss dies unbedingt einplanen.
 

Dominic Nailis
Leiter Kompetenzteam Systemanalyse
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Johannes Kempen
Senior Consultant
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