Unternehmensentwicklung | 25.03.2025 Was das Omnibus-Paket für die Nachhaltigkeit von EVU bedeutet Autoren: Sebastian Seier

 

Nach dem die EU-Kommission Ende Februar mit dem Omnibus-Paket die Notbremse für die Nachhaltigkeitsberichterstattung gezogen hat, zeichnen sich zunehmend Wege ab, wie Unternehmen ihre bereits getätigten Vorarbeiten sinnstiftend weiterverwenden können.

Dass die EU-Kommission die Nachhaltigkeitsberichtspflichten noch einmal entschlacken würde, war schon Ende 2024 absehbar. Wie rabiat die Kommission jedoch die Heckenschere an die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), Taxonomie und Corporate Sustainability Due Dilligence Directive (CSDDD) ansetzen würde, war jedoch überraschend. Zurecht gibt es nun bei den betroffenen Versorgungsunternehmen viele Fragezeichen. Wir geben einen Überblick und zeigen Handlungsoptionen auf.

Was die EU-Kommission vorschlägt


Die EU-Kommission hat im Wesentlichen folgende Anpassungen an der CSRD vorgeschlagen: 

  • Berichtspflichtig sollen künftig nur noch Unternehmen sein, die mehr als 1.000 Mitarbeitende beschäftigen und entweder einen Umsatz von über 50 Mio. € oder eine Bilanzsumme von über 25 Mio. € aufweisen (was bei 1.000 Mitarbeitenden aber de facto fast immer der Fall sein dürfte).
  • Damit entfällt für alle kleineren Unternehmen auch die Pflicht, die Taxonomie-Kennzahlen zu berichten. Weiterhin berichtspflichtige Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden, aber weniger als 450 Mio. € Umsatz sollen zudem u. a. auf die Offenlegung der OpEx-Kennzahlen verzichten können.
  • Der freiwillige Berichtsstandard für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) der EU („Voluntary reporting standard for SMEs“, VSME) soll über einen delegierten Rechtsakt spätestens vier Monate nach Inkrafttreten des Omnibus-Pakets offiziellen Charakter bekommen. Der VSME enthält eine sehr übersichtliche Anzahl an Datenpunkten zu Umwelt, eigenen Arbeitskräften und Governance und verzichtet u. a. auf eine Wesentlichkeitsanalyse. Durch das Omnibus-Paket und den delegierten Rechtsakt wird der VSME auch zur Obergrenze dessen, was CSRD-berichtspflichtige Kunden, Banken und Investoren an Informationen für ihre eigenen Nachhaltigkeitsberichte von kleineren Unternehmen in ihrer Wertschöpfungskette einholen dürfen.
  • Es sollen keine sektorspezifischen Nachhaltigkeitsberichtsstandards mehr eingeführt werden.
  • Die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten durch Wirtschaftsprüfer soll dauerhaft nur mit begrenzter Sicherheit („limited assurance“) erfolgen, was Aufwand und Kosten für die Prüfung reduzieren würde.
  • Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sollen über einen delegierten Rechtsakt der Kommission innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Omnibus-Pakets deutlich verschlankt werden.
  • Weiter berichtspflichtige Unternehmen, die erstmals über das Jahr 2025 hätten berichten müssen, müssen nun erst über das Jahr 2027 berichten.
     
Zeitplan für die Verabschiedung des Omnibus-Pakets


Bei den oben genannten Punkten handelt es sich wohlgemerkt nur um Vorschläge der EU-Kommission. Da die CSRD eine Richtlinie ist, kann die EU-Kommission sie nicht eigenständig ändern. Dazu braucht es die Zustimmung von EU-Parlament und dem Rat der EU. Sowohl Rat als auch Parlament haben sich im März bereits erstmalig mit den Vorschlägen der Kommission beschäftigt.

Am 01. April steht die erste von zwei Omnibus-Richtlinien im EU-Parlament zur Abstimmung. In dieser geht es ausschließlich um die Verschiebung der Berichtsfristen um zwei Jahre. Möglicherweise wollen die europäischen Gesetzgeber den Unternehmen mit der zügigen Verabschiedung dieser ersten Richtlinie Planungssicherheit verschaffen und sich selbst Zeit erkaufen, um die weiteren Änderungen, die sich in der zweiten Richtlinie befinden, eingehender diskutieren zu können. Im Anschluss an die Verabschiedung durch das Parlament muss der Ministerrat noch zustimmen.

Nach den Beschlüssen von Rat und Parlament haben die Mitgliedsstaaten 12 Monate Zeit, die Änderungen in nationales Recht zu überführen. Mit einem deutschen Gesetz ist so frühestens Mitte 2026 zu rechnen.


Was heißt die Entscheidungsunsicherheit für betroffene Unternehmen?


Der Vorstoß der EU-Kommission bringt für Unternehmen, die nun ihre Berichtspflicht verlieren könnten, erstmal Planungsunsicherheit mit sich – insbesondere, da viele Zeitpläne zur Erstellung der ersten CSRD-Berichte eng gestrickt sind und wenig Puffer beinhalten.

Den Geschäftsführungen sollte deshalb bewusst sein: Es gilt nun eine Risikoabwägung vorzunehmen. Sollen aktuelle CSRD-Projekte schon eingestellt werden, obwohl die Vorschläge der Kommission noch nicht rechtlich bindend sind? Oder lassen wir begonnene Projekte weiterlaufen, bis rechtliche Klarheit herrscht? 

Auch wenn die politische Stimmungslage aktuell vermuten lässt, dass eine vollständige Zurückweisung der Vorschläge der Kommission eher unwahrscheinlich ist, muss jedes Unternehmen diese Risikoentscheidung individuell und bewusst treffen.


Die CSRD ist tot – es lebe der VSME!?


Die ein oder andere Nachhaltigkeitsmanagerin mag am Abend der Veröffentlichung der Kommissionsvorschläge in ihr Kopfkissen geschrien haben. War die ganze Arbeit zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts, die bei vielen Unternehmen schon im Frühjahr 2024 begonnen hat, nun umsonst?

Das muss nicht sein. Denn auch ohne Berichtspflicht gibt es viele Themen im Bereich der Nachhaltigkeit, die für die Unternehmen tatsächlichen Mehrwert stiften und für die auf den CSRD-Vorarbeiten aufgebaut werden kann. 

Dazu zählt die Erstellung eines freiwilligen Nachhaltigkeitsberichts nach VSME. So ein abgespeckter Nachhaltigkeitsbericht umfasst schätzungsweise ein Zehntel der Berichtspunkte eines ESRS-Berichts. Er ermöglicht es Unternehmen ihren Banken, Gesellschaftern, Kunden oder anderen Stakeholdern fundiert Auskunft zu Nachhaltigkeitsthemen zu geben. Zudem ist der Bericht eine systematische Ist-Analyse, die für die Etablierung einer nachhaltigen Unternehmenssteuerung oder eine Nachhaltigkeitsstrategie die Grundlage bilden kann.

Einige Unternehmen nehmen auch eine Repriorisierung der Ressourcen vor. Statt Zeit und Geld in die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts zu stecken, treiben sie andere Projekte voran, die helfen die Nachhaltigkeit des Unternehmens zu verbessern. Häufig sind das die Erstellung einer Treibhausgasbilanz und die Erarbeitung einer Dekarbonisierungsstrategie. Doch auch pragmatische Klimawandelfolgenanalysen für die wichtigsten Assets rutschen im Rahmen des unternehmerischen Risikomanagements immer mehr in den Fokus.

Unabhängig davon, für welche Option sich die Unternehmen entscheiden, steht jedoch fest: Dem Klimawandel war es noch nie wichtig, ob irgendjemand Nachhaltigkeitsberichte erstellt oder nicht. Was zählt, sind die praktischen Konsequenzen, die für das eigene Geschäft daraus folgen.

BET hat zu diesem Thema am 13. März ein Webinar durchgeführt. Wenn Sie Interesse an den Folien haben, sprechen Sie uns gerne an.

Sebastian Seier
Leiter Kompetenzteam Nachhaltigkeit & Klimaschutz
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